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Roadtrip durch England – Teil II: Dorset, Devon und Cornwall

Aktualisiert: 24. Sept. 2019




Den nächsten Tag haben wir mit einer weiteren Runde durch den Nationalpark begonnen, ich muss sagen, ich habe selten eine schönere Gegend erlebt. Trotzdem ging es weiter, auf dem Plan stand Weymouth, eine Hafenstadt mit schöner Promenade und riesigem, zentralen Parkplatz. Wir drehten eine Runde durch die Straßen und fanden einen elektrischen Rollator Verleih, von dem die Besucher scheinbar lebhaften Gebrauch machten: Ich habe noch nie zuvor so viele motorisierte Rentner auf einem Haufen gesehen. Das war auch der Grund, warum wir schnell wieder raus aus den engen Gassen sind und ich mir ein Restaurant gesucht habe. Gelandet bin ich im „Rockfish“, gleich an der Promenade. Nette Bedienung, man konnte draußen sitzen und es gab frittierte Spidercrab-Bällchen mit Zitronenmayo, dazu einen Thaisalat und ein Fläschchen Cider. Ich hätte von diesen Bällchen einen ganzen Eimer essen können – göttlich!



Aber irgendwann war das Essen verputzt und die Parkuhr abgelaufen, deshalb ging es zum nächsten Campingplatz.


 

West Fleet Holiday Farm, V+E, Stellplätze auf Wiese, atemberaubende Aussicht, hauseigener Rundwanderweg, Swimmingpool im Schwester-Campingplatz: N 50°37'41" W 2°31'57"


 

Die Begrüßung war nett, aber verhalten, es gab Anweisungen unter keinen Umständen auf den nummerierten Plätzen zu parken, denn die wären nur für Reservierungen, aber ich habe recht schnell ein Plätzchen gefunden. Die Aussicht war bombastisch: kilometerweite, freie Sicht über grüne Wiesen bis aufs blaue Meer hinaus. Gekrönt wurde der Standplatz von einer hauseigenen Wanderrunde von ca. 40 Minuten, direkt an der Küste entlang. Der Campingplatz umfasst wohl etwa an die 100 Standplätze, von denen einige wie gesagt nummeriert sind. Wir waren zu zehnt vor Ort. Gut, dass ich nicht auf einem nummerierten Platz geparkt habe, nicht auszudenken...




Die Nacht auf dem Hügel mit der tollen Aussicht war alles andere als ruhig. Es hat so heftig gestürmt, dass meine Nachbarn mit dem Zelt fast weggeflogen sind und mitten in der Nacht rausmussten, um es nochmal stärker abzusichern. Bei mir wackelte die Lichterkette wie bei heftigem Seegang. Trotzdem sind Frida und ich früh am Morgen die hauseigene Wanderrunde gegangen (Brombeerhecken, so weit das Auge reichte), dick eingepackt in Softshelljacke und Windbreaker inkl. Stirnband, damit die Ohren nicht abfrieren. Die Runde war toll, aber der Plan für den Tag auch: Erst sind wir zu einem kleinen Wanderparkplatz gefahren, von dem aus man in wenigen Minuten am Kiesstrand ist (N 50°41'40" W 2°42' 21").




Anschließend ging es weiter zum Donkey Sanctuary, im Nachhinein wohl eines meiner Highlights des Trips (https://www.thedonkeysanctuary.org.uk, N 50°41'49" W 3°11'24). Der Eintritt ist kostenlos, Hunde sind willkommen, es gibt ein Restaurant und einen Shop und drumherum ganz viele Ställe und Weiden mit geretteten Eseln, die es hier jetzt viel besser haben. Sie haben alle Namen und Paten (für 3 Pfund im Monat kann man einen Esel adoptieren), stehen mit ihren Freunden oder ihrer großen Liebe auf der Weide und werden liebevoll versorgt. Ein cooles Konzept finde ich. Nachdem wir also nahezu alle Esel begrüßt und danach ausgiebig im Shop einkaufen waren (ist ja alles für den guten Zweck, nicht wahr), gab’s auf dem Parkplatz ein paar schnelle Nudeln. Das sind die Momente, in denen ich das Leben und Reisen mit Rudi wirklich liebe...



Satt ging es weiter zum letzten Programmpunkt des Tages: Darthmoor. Ich hatte mir die Felsformation Haytor ausgeguckt, denn die Becky Falls, mein Alternative, sollte Eintritt kosten und das sah ich nicht ein. Die Straße zum Wanderparkplatz (N 50°34’52“ W3°44’43“) hätte ich mir etwas breiter gewünscht, aber als ich sah, dass auf ihr auch noch Doppeldecker-Reisebusse fahren, war‘s vorbei mit meinen Nerven. Aber – und auch das ist untrennbar mit der Englandreise für mich verbunden – die Briten kennen ihre Straßen und wissen um die Probleme. Sie fahren allesamt zurückhaltend, sind äußerst zuvorkommend, machen Platz, wo es nur geht und bedanken sich ständig. Ein wirklich angenehmes Fahren, auf das man sich verlassen und im Ernstfall auch zählen kann. Nach gefühlt endlosen, engen Kilometern kamen wir also am Wanderparkplatz an und liefen direkt in einen Regenschauer aller erster britischen Güte. Aber der Ausblick nach ein paar wirklich anstrengenden Höhenmetern über Moos und zwischen ein paar Kühen hindurch sowie der doppelte Regenbogen, der dem Regen folgte, waren die nassen Klamotten allemal wert. Die Felsformation klang und klingt vielleicht langweilig, aber als ich davor stand, diesen Ausblick in das weite Landesinnere vor mir hatte, die Größe der Steine fast körperlich spürte, da war ich selig. Es war unfassbar windig, die feuchten Klamotten taten ihr Übriges, aber es war toll.




Beim Abstieg fand ich dann heraus, dass wir nicht nur die furchtbar enge Straße vom Hinweg wieder zurückmussten, sondern auch noch gut eine Stunde vom vorab gebuchten Ziel-Campingplatz „Broadleigh Farm Park“ entfernt waren; und dabei war es schon nach 17 Uhr. Panisch machte ich mich auf den Weg, denn der gewöhnliche Brite arbeitet meist nicht mehr nach 17 Uhr und die Campingplätze machen dann gerne auch einfach mal zu. Ich hatte jedoch Glück und wurde noch freundlich empfangen. Da mein Stromkabel auch hier wieder zur kurz war, durfte ich unkompliziert den Stellplatz wechseln und näher an die Buchse ziehen. Hier stand ich aber vor einem ebenfalls sehr britischen Camper-Problem: Jeder Farmer bietet seine Wiesen gern als Campingplatz an. Wenn man wie die meisten Briten mit einem kleinen Zelt unterwegs ist, ist das auch kein Problem. Mit Rudi jedoch ist es fast unmöglich die Unebenheiten auszugleichen, Keile hin, Keile her. Aber nach gut 5 Minuten Rangiererei hatte ich mein Plätzchen mehr oder weniger ebenerdig gefunden.


 

Broadleigh Farm Park, großer Campingplatz mit Wiesenstellplätzen, teils mit Strom, V+E, Sanitär, extrem enge Zufahrtstraße: N 50°25'02" W 3°37'02"


 


Endlich war es mal warm genug, um noch ein Glas Wein vor dem Van zu trinken, die Chance habe ich direkt genutzt. Der Blick war frei, ging einen Hügel hinauf, am Ende eine grüne Hecke, kaum Betrieb auf dem Platz. Plötzlich raste ein schwarzer Hund im Schweinsgallopp von links nach rechts, dicht dahinter ein dicker Mann, der „Charlie!!! Charlie!! Grab the dog!!“ rief, gefolgt von einer ebenso dicken Frau mit Quietschi von Charlie, dem das alles total egal war. Ein Bild für die Götter, ein bisschen wie bei Mr. Bean.








Am nächsten Tag sollte es endlich zu meinem eigentlichen Reiseziel gehen: Cornwall! Ich hatte schon so viel Zeit „vertrödelt“, dass es nun allerhöchste Eisenbahn wurde. Also sind Frida und ich fast 3 Stunden auf gut Glück über die Schnellstraße (Autobahnen kennt der Brite im Süden scheinbar nicht) in Richtung St. Ives. Über die App Campercontact hatte ich einen klitzekleinen, recht neuen Campingplatz kurz vor dem Ort gefunden, auf meine Anfrage aber keine Antwort erhalten. Egal, ich bin hin.


 

Hellesveor Holidays, junger kleiner Campingplatz mit V+E, befestigte und unbefestigte Stellplätze, tolles Unisex-Sanitärgebäude, direkt am South Coastal Path: N 50°12‘27“ W 5°30‘03“


 

Und hatte wieder Glück: Der Betreiber begrüßte mich unheimlich freundlich, stellte mir seinen Hund vor, erklärte mir die Anlage, gab mir Tipps für die Umgebung und den Ort, eine Karte und Wegbeschreibung sowie eine Visitenkarte eines hundefreundlichen Taxiunternehmers und ich bekam den allerletzten Stellplatz – meinen Keilen sei einmal mehr Dank. Der Campingplatz war einfach nur putzig. Eng, ja, aber irgendwie hat es mich gar nicht so gestört. Es war alles harmonisch, irgendwie „Cornish“ und das Sanitärgebäude war schöner als so manches Badezimmer zu Hause: Ein schwarz gebeiztes Holzhaus, innen alles im Landhausstil mit schweren Messingbeschlägen an den Türen und Weichholztischen, darauf große, weiße, freistehende Porzellanwaschbecken, die Dusche ebenerdig und modern. Ein Campingplatz für meine Herzens-Liste.



Frida und ich sind direkt los und haben den legendären South Coastal Path in Richtung St. Ives genommen. 45 Minuten atemberaubende Aussicht auf die Küste, Klippen, saftig grüne Wiesen, sich an den Felsen brechende Wellen und irgendwann dann den Ort. Es wurden einfach sämtliche Klischees des ZDF-Herzkinos erfüllt und ich war glücklich. Ich bekam das Gefühl, von dem immer alle sprechen, wenn sie von Cornwall erzählen. Es ist inspirierend, man will sich hinsetzen und entweder malen oder ein Buch schreiben, es ist rau und gleichzeitig heimelig. Ich fühlte mich ganz und gar angekommen. Der Ort war klein, alt, pittoresk ist wohl das richtige Wort. Überall gab es etwas zu entdecken, individuelle Geschäfte, Galerien (leider blieb mir wegen Frida die Tate Gallery verwehrt), Pubs und Bäckereien. Ich wusste gar nicht, wo ich zuerst hingucken sollte. Hier habe ich richtig Geld gelassen, die Läden waren zu schön. Und ich konnte zwei weitere Speise-Punkte von der Liste streichen: Cornisch Crab Sandwich, einfaches Weißbrot, Krebs und Zitronenmayo – großartig – und endlich auch die Cornish Pasty, eine Gebäcktasche gefüllt mit allem, was das Herz begehrt, es gibt schier endlos viele Sorten. Nach ein paar Stunden in den Gassen, einer Stärkung in einem Deli und am Hundestrand wanderten Frida und ich den South Coastal Pfad wieder zurück, Frida beschwingt, weil sie endlich raus war aus den Straßen, ich beschwert, weil der Rucksack voll war mit den gekauften Sachen und ich auch noch Tüten in der Hand hatte. Aber jedes einzelne Teil war es wert, den Weg zurückgeschleppt zu werden, seien es die wunderschön bedruckten Tea Towels oder meine heißgeliebte schiefste Tasse der Welt.





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