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Roadtrip durch England – Teil I: East & West Sussex und Hampshire

Aktualisiert: 24. Sept. 2019




Die Zeichen für diesen Urlaub hätten nicht schlechter stehen können: Im Büro war die Hölle los, die vermeintliche Schön-Wetter-Zeit mit Anfang September eigentlich schon vorbei und ich lag das Wochenende bevor es losgehen sollte komplett flach. Ich hatte keinen Plan, keine Route, der Van war nicht vorbereitet, der Hund noch nicht beim Tierarzt, um die für die Einreise notwendige Wurmkur zu bekommen. Was ich jedoch hatte war Angst, dass England die Einreise nach dem geplanten Brexit zum 31.10.2019 besonders für Reisende mit Haustier erschweren könnte, und ein Zugticket für den Euro Tunnel.


An meinem ersten Urlaubstag wurde also alles in Windeseile gepackt und wie auch letztes Jahr beim Trip nach Schweden bin ich mit feuchter Wäsche in den Griffen der Hängeschränke irgendwann losgefahren. Erste Etappe: Ein Vorort von Brüssel, die Auffahrt meiner Chefin, um genau zu sein. Und ich habe wirklich mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass das Parken ein Millimetertanz im Dunkeln wird.


Am nächsten Morgen ging es um 5 Uhr los nach Calais. Ich habe mir im Vorfeld so viele Gedanken zu dem Autoreisezug gemacht, aber es war alles unglaublich einfach. Es ist alles super ausgeschildert und top organisiert, auch die Haustierkontrolle ging schnell und unkompliziert. Tipp vom Profi: Es gibt Kontrollstellen für Links- aber auch für Rechtslenker, darauf sollte man achten, sonst klettert man mit seinem Pass einmal quer durchs Fahrerhaus. Der Duty Free Bereich ist ein Eldorado für Champagnerfans und Freunde von französischem Gebäck.


Nach 30 Minuten ist man in England und ich meine damit, dass man wirklich direkt in England ist: Vom Zug aus geht es direkt auf die Autobahn und in diverse linksdrehende Kreisverkehre. Danach hat man das mit dem Linksfahren auch gleich verinnerlicht. Für den ersten Tag habe ich mir nur eine kurze Etappe rausgesucht und bin nach Rye, einem kleinen Ort mit großem Parkplatz am Bahnhof, auf dem man auch übernachten darf.


 

Großer Parkplatz direkt am Bahnhof ohne V+E, eingeschränktes Parken in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, weil donnerstags auf dem Platz Markt ist: N 50 Grad 57‘11“ E 0 Grad 43‘57“


 

Der Ort Rye, dessen Geschichte bis ins Mittelalter zurückreicht, erfüllt auf putzige Art und Weise gleich sämtliche Klischees, die man als leidenschaftlicher Rosamunde-Pilcher-Gucker hat: Kleine Gassen, teils mit mittelalterlichem Kopfsteinpflaster, bunte Lädchen, die individuelle Sachen anbieten, ein kleiner Buchladen, Pubs, Delis und Bäckereien. Frida und ich haben den Tag in den Gässchen vertrödelt, waren in der kleinen Kirche Saint Mary mit der angeblich ältesten Turmuhr Englands (von 1560), deren Pendel im Inneren der Kirche hin- und erschwingt, und haben im „The Fig“ ein Avocado-Brot gegessen. Danach sind wir in den Park des Orts, natürlich mit englischem Rasen, und haben ein bisschen die Sonne genossen. Aber die Aufregung und das frühe Aufstehen verlangten dringend nach einem Mittagsschläfchen. Ein wenig gegruselt habe ich mich dann aber auch, als ich von sehr dicht am Heck stehenden Männerstimmen aus eben diesem Mittagsschläfchen gerissen wurde. Als ich leise aufstand und dann sehr laut die Schiebetür öffnete, liefen die Typen weg. Ein perfekter Grund für mich, um den Stellplatz generell zu hinterfragen und mir 1000 Gedanken zu machen. Als die Entscheidung dann stand, nur auf dem Parkplatz selber den Platz zu wechseln und Rudi mehr in der Mitte und zudem unter einer Laterne zu parken, sind Frida und ich nochmal zu einer großen Gassirunde aufgebrochen. Es ging vorbei am kleinen Hafen, über eine kleine Schleuse auf unendlich scheinende Schafweiden mit Blick auf eine Schlossruine. Wieder waren alle Klischees erfüllt. Was mir an diesem ersten Tag in England schon auffiel und sich auch die nächsten 11 Tage nicht mehr änderte: Die Briten sind verrückt nach ihren Hunden und man darf seinen Hund überall mit hinnehmen (klar, es gibt ein paar wenige Ausnahmen), sogar in die Kirchen, in alle Parks, auf die Schaf- und Kuhweiden, in Restaurants und Pubs. Und was mir auch noch auffiel: Ich habe nie einen Hund böse werden sehen, keine Beißerei, keine Aggression, es war einfach alles total entspannt und ruhig.



Nach einer relativ ruhigen Nacht ging es am nächsten Tag in Richtung Westen die Küste entlang. In Hastings, der ersten größeren Stadt, bot sich eine so gute Parkmöglichkeit direkt an der Strandpromenade, dass ich spontan einen Halt eingelegt habe. Nach einer kleinen Runde am Strand entlang und durch die Innenstadt zog es mich dann aber doch weiter, denn ich wollte unbedingt eine Runde mit Frida wandern. In meinem Reiseführer hatte ich als Empfehlung von einer Wanderung zu Seven Sisters Beach gelesen. Also ging es enge Sträßchen die Küste entlang zu einem Wanderparkplatz, der am Mittag schon aus allen Nähten platzte.


 

Zahlungspflichtiger Wanderparkplatz Seven Sisters Beach, Übernachtung verboten: N 50°46’33“ E 0°09’05“


 

Und hier stand ich vor einem Problem namens Parkuhr. Die Briten lassen sich alle Parkplätze bezahlen, was bei den Preisen (meist 1 Pfund für 1 Stunde) auch total okay ist. Wenn man aber als Camper 12 Pfund zahlen muss und die Maschine ausschließlich Münzen nimmt, die man natürlich nicht hat, dann wird‘s kompliziert. Aber zwei Mädels, die Sandwiches und Chips verkauft haben, konnten wir zum Glück einen Schein wechseln. Also sind Frida und ich los, quer über grüne Wiesen, zwischen Schafen durch, immer bergauf bis zur Kante der Kreideküste mit einem fantastischen Blick, sowohl in Richtung Meer als auch ins Landesinnere. Die Tour war leider nicht so einsam wie erhofft, denn es fand gleichzeitig wohl ein Wohltätigkeitswanderevent statt, aber gelohnt hat sie sich auf jeden Fall. Es gibt verschiedene (Rund-)Wege, viel zu sehen und einen tollen Strand direkt unterhalb der Kreidefelsen. Von denen ich übrigens nie gedacht hätte, dass sie so bröckeln. Durch den Wind hatte ich ordentlich Kreidestaub in den Haaren, als wir nach über zweieinhalb Stunden wieder bei Rudi ankamen.



Schnell ging es weiter nach Newhaven zum Stellplatz für die Nacht, denn der hat eine Höhenbegrenzung und der Feierabend des Hafenmeisters, der die Schranke für größere Modelle wie Rudi öffnet, ist sehr variabel. Ich hatte aber Glück und ein wie ein alter, kleiner, verschrumpelter Seemann anmutender Hafenmeister öffnete mir grinsend und äußerst liebenswert die Schranke. Ich stellte mich ans Ende des riesigen Hafenparkplatzes und hatte einen wirklich großartigen Ausblick rundherum. Leider wurde das alles durch angetrunkene Nachbarn etwas geschmälert, die permanent rumbrüllten oder mit ihrem nur noch durch Gaffa-Tape zusammengehaltenen Auto von links nach rechts rasten. Die bekamen nachts dann leider auch noch Besuch, der sich um Rudi herum positionierte und mich an seinen Unterhaltungen und seinem schlechten Musikgeschmack teilhaben ließ, sodass erst nach 1 Uhr an Schlaf zu denken war. Trotzdem möchte ich den Stellplatz aufgrund seiner Aussicht nicht missen.


 

Stellplatz ohne Installationen direkt im Hafen am Fort, Achtung: Höhenbegrenzung, der Hafenmeister muss die Schranke öffnen: N 50°46‘55“ E 0°03‘19“


 


Der nächste Tag, ein Sonntag, verlief dann recht unspektakulär, da wir auf direktem Weg nach Littlehampton auf einen „echten“ Campingplatz fuhren.


 

„Littlehampton Caravan Club Site“, klassischer Campingplatz mit allen Annehmlichkeiten, befestigte und unbefestigte Stellplätze, V+E, Hundeauslauf: N 50°49‘37“ W 0°32‘31“


 

Den ursprünglichen Plan das Arundel Castle zu besuchen mussten wir verschieben, da es schon Kilometer vor dem Ort zu Staus kam. Also das erste Mal Campingplatz in England – ein teurer Spaß... Unter 20 Pfund die Nacht kommt man nirgendwo unter, zumal man meist als „Nichtmitglied“ von britischen Campingclubs noch eine „Strafgebühr“ oben drauf zahlen muss. Mir war es aber egal, ich wollte duschen und Rudi versorgen. Mittags sind wir in den Ort gelaufen und haben eine Runde im Hafen gedreht. Eigentlich wollte ich Fish’n Chips essen (mein Plan vor dem Urlaub war, alles einmal gegessen zu haben, was man so in England typischerweise gegessen haben sollte), aber auch hier gab es Staus in Form langer Menschenschlangen, sodass ich doch lieber eine Kleinigkeit im Van gegessen habe. Abends dann endlich auch die erhoffte, aber gleichermaßen auch gefürchtete Dusche – auf Campingplätzen weiß man ja nie, was einen erwartet. Aber ich muss sagen, dass die Duschen wirklich total in Ordnung und sauber waren. Wenngleich mich zwei Dinge hier schon irritieren, die mir auch in den kommenden Tagen noch auffallen und am Ende des Urlaubs untrennbar mit England verbunden bleiben sollten: Man kann nicht überall die Wassertemperatur selber bestimmen. Hat man Glück ist das Wasser warm, hat man Pech ist es entweder eiskalt oder kochend heiß. Und es gibt einfach keine Steckdosen. Nirgends. Gut, dass Rudi genug Strom hat, damit ich mir trotzdem die Haare trocknen konnte.


Neuer Tag, neues Glück. Relativ früh ging es die paar Kilometer nach Arundel, das Schloss wollte ich jetzt doch auch noch sehen. Der ausgewiesene Besucherparkplatz hat im hinteren Bereich extra Platz für Camper und Busse. Leider war das Schloss geschlossen, aber das Örtchen umso schöner. Wir sind ein bisschen durch die Gässchen gewandert, waren in der Kathedrale und ich habe zum Schluss in einem Feinkostgeschäft allerlei Kleinigkeiten gekauft. Kaffee im Park, eine Runde am Kanal entlang und schon ging es weiter.



Als nächsten Programmpunkt hatte ich mir den New Forest Nationalpark ausgesucht, denn hier sollte es frei laufende Ponys und Rotwild geben und außerdem ein paar naturbelassene Campingplätze mitten im Wald. Wir steuerten den einen der vielen Campgrounds an, eine riesige Wiese mit Toilettenhäuschen, ab und an Stromkästen und einem Sanitärhauschen, das ich so sauber und ordentlich mitten im Wald nicht erwartet hätte. Viel besser jedoch: Wir wurden sehr freundlich begrüßt, uns wurde noch ein Verlängerungsstromkabel geliehen und wir bekamen gesagt, dass wir nur durch das Gartentörchen ca. 100 m von Rudi entfernt gehen müssten und ab da Frida frei im Nationalpark laufen dürfte.


 

Longmeadow Campsite, V+E, Strom, Sanitär, Stellplätze auf Wiese: N 50°50'06" W 1°35'19"

 

Gesagt getan. 10 km ging es durch Waldgebiete, Heideland, zwischen uralten, riesigen Bäumen und über Brücken entlang. Wir haben Rehe und Ponys gesehen und einem Ehepaar aus Versehen den falschen Weg gewiesen. Aber abends wurde es erst richtig toll, denn dann kam eine riesige Rotwild-Herde und gesellte sich zu den Campern auf der Wiese. Sie blieben bis zum Vormittag, weshalb ich mir den Wecker gar nicht auf 5 Uhr hätte stellen müssen, um sie im Morgengrauen noch zu sehen...




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